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Regenpause. Freie Zeit. Auf meiner Wange kullert eine Träne. Wenn Liderschließen nicht mehr reicht. und die Augenhöhlen die sich erwehren. Wenn alles anstürmt und Überflieger überfliegen. Ich bin die Autobahn im Morgenstau mit blauen Schildern, die verzweifelt zum Flughafen weisen. Ich bin das stille blasse Kind. |
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Kinder kleckern Eis auf ihre Hosen, hüpfen durchs kühle Nass des Springbrunnens. Im Untergrund grummelt die U-Bahn und der Fernsehturm wiegt versonnen. Wind der durch meine Haare weht. Sonnenstrahlen auf meiner Haut .... schön ist es hier. „Fahr weiter. Jetzt den Berg herunter. Genau. Was hörst du?“ Kinderlachen. Ein Rauschen. Wasser, das fließt. Ein Fluss vielleicht? |
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Der Himmel hängt wie ein schwarzes Tuch über der Stadt. Die Wärme des Tages hockt zwischen den Häusern. Nervtötender Lärm durchdringt mich. Ich schließe die Augen und versuche es auszublenden. Wir sind abgewrackt und geben trotzdem weiter Gas. |
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Blätter tapezieren den Asphalt. Die Sonne blinzelt noch verschlafen durch die schiefergrauen Wolken. Die karierte Tischdecke blassblauen Himmel abhebend, entkommen. Welch ein Glück. |
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Verzaubert von diesem, hingerissen von jenem, vor Faszination zu weit aus dem Fenster lehnend. Wie ich mich doch nach dir sehne. Die Lefzen leergelacht leiern für dich den Gegendruck auf. „Weiter geradeaus. Und die nächste rechts rein.- Gut. Was siehst du?“ Ein Spießerfuchs in Gartenhecke. |
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Doch dann die Fahrt in der gewohnten Umgebung weckt Lust auf mehr. Dann stehe ich in meiner Straße. Kalte Luft. Ich atme tief ein. Genieße die Frische. Klarer Himmel, warme Brise, Touristenscharen schlendern, Kameras blitzen. Es gibt nichts Schöneres, Lebensgenuss und Glück durchströmen mich. Wunderschön. Durchatmen. Nichts passiert. Außer dem abrupten Aufwachen. |
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Warum spricht die Frau im englischen Cabrio russisch? Und wozu brauchen die Chinesen am Steuer eine Schweizer Uhr? Der indische Portier öffnet der Schwedin den Schlag. Ich kümmere mich um den Koreaner. Er schaut blank. Ich wollte eigentlich schon immer weg hier. Woanders hin ... wobei, anderswo ist’s wahrscheinlich genauso. Denn wir atmen ständig durch den Mund. Wir haben an alles schlechte Erwartungen. Ich probiere jede Fahrradklingel kurz aus. Die, die mir gefallen, lasse ich erneut erklingen. Manche häufiger und länger. Und manche kaum. |
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Elegant gekleidet, so mädchenhaft. Im Bus. Ich kann nichts sagen. Ich darf nicht. Sie ist groß, aber nicht übertrieben. Sie zieht mich förmlich an. Der Lärm verebbt in diesem stillen Kokon. Taumelnd öffne ich die Augen und stürze über die Schultern in ihren hasserfüllten Blick. |
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Aus dem Dunst. Doch ständig erneuernd. Für einen Augenblick. Das Meer hat sich für eine Weile schmollend zurückgezogen. In der Ferne brechen sich die Wellen des bleichen Wassers. Rhythmisch, wie der Schlag des Herzens, immer wieder gleich. |
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„Geh ein paar Schritte. Was spürst du?“ Dunkle Haare, schön, geheimnisvoll. Wie Diener in anderen Sphären. Ich schau in die andere Richtung. |
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Eine lange Straße. In paar Autos. Ein Gasthaus. Von den Dächern hört man Musik und Gesprächsfetzen wie Morsezeichen im Schatten der Nacht. In den Lichtern der Fenster Ausschnitte vom Leben. So riesig die Distanzen, dass ich, gewöhnt an Dorfdimensionen, mich stets verschätze und ewig zu Spät komme. Laute Musik noch immer aus dem Radio, bis zum bersten, bis deine Oberarmmuskeln gut sichtbar sind. |
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Ein weißer Musikspieler in ihrer Hand. Die Ampeln sind längst ausgeschaltet. Die schlummernde Promenade träumt noch von einer durchtanzten Nacht. Die Ohren vernehmen die Klänge. Bald legen sich goldgelbe Krümel auf einer zerbrochenen Gitarre zusammen, dazu singt er noch ein paar schiefe Töne. Das Herz schlägt im Takt der Stadt. |
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Der Minirock und die Cowboyboots meiner Bühnenkollegin erwiesen sich als Magnet für Wolken von Giftpfeilen aus dem Publikum. Und auch ich öffne mich mit meinem Bier und tanze zu lauter Musik in der bunten Wohnung, die ich nicht kenne, bei den Leuten, die ich nicht kenne, mit Menschen, die ich nicht kenne. „Wo bin ich eigentlich?“ Komm mit, ich still deinen Hunger und lösch deinen Durst! |
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Der schwarze Asphalt wärmt weiße Füße. Mein Fuß ist das Tal, der Himmel mein Ziel und Grenzen kenn’ ich nicht. Millionen Lichter säumen die Nacht. Ich werde mit halb aufgegessenen Austern gefüttert, die mir das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Kannst du dir die Veränderung zum Freund machen? |
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Boden meiner Kindheit, verkraftete meine Jugend, war Basis meiner Verwurzelung, tolerierte meine Eigenheiten, gab Plätze während der schweren Depression, vermisste mich Jahre, als ich auszog, nahm mich wieder auf und ist Stätte meiner Hoffnung, meines Realismus und meiner Träume. Herberge und Erinnerung, Zentrum von Geschehenem, Täglichem, Heute, Morgen. Die letzte Haltestelle. Der Zug ruckelt nun mit dem debilen Grinsen davon. Die meisten leben schon so lange allein, so dass sie lauter Einzelkinder geworden sind. |
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Müde und geschafft nach schon 24 Stunden auf den Beinen. Und immer wieder dieses Mädchen. Aber etwas ist heute anders; denn seit wir in der Stadt sind, fragen wir uns, warum wir immer den mühevollen Umweg durch das Tor nehmen, wo doch die Mauern schon lange nicht mehr stehen. Und diese Frage beschäftigt uns auch noch, als wir die Stadt auf dem gleichen Wege wieder verlassen. |